Ende Dezember 2016 bis Anfang Januar 2017
Kurz vor Weihnachten begannen meine Schlafstörungen wieder. Alle paar Monate kann ich an mehreren hintereinander folgenden Nächten nicht richtig schlafen, kann den Tag nicht loslassen, wache mitten in der Nacht auf und liege dann zwei bis drei Stunden wach, manchmal auch länger. Das ist eine immens große Belastung für mich. Meistens dauert der Spuk etwa zwei Wochen, dann wird es mit einem Mal wieder besser. Wenn ich es schaffe eine Nacht wieder gut zu schlafen, ist der Knoten geplatzt und und ich entspanne mich so, dass das Schlafen in den folgenden Nächten besser klappt. Es gibt eigentlich keinen bewussten Auslöser für dieses Phänomen, allerdings ist mir aufgefallen, dass es meistens im Winter auftritt. Ich leide sehr unter dem Schlafmangel, habe noch weniger Geduld mit den Kindern und schimpfe ständig mit ihnen. Das tut mir so leid, aber ich kann dann einfach nicht aus meiner Haut, ich bin teilweise so müde, dass mich alles nervt.
Das Jahr 2016 war auch für uns ein nicht ganz einfaches Jahr, wir alle hatten Federn gelassen. Umso mehr freuten wir uns auch darauf, die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester ruhig angehen zu lassen. Stefan hatte ab dem 22. Dezember Urlaub, die Kinder einen Tag später.
In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember musste sich Johann mehrmals erbrechen. Er versäumte somit seinen letzten Kindergartentag vor den Ferien. Zum Glück ging es ihm aber am Nachmittag wieder besser, so dass wir guter Hoffnung waren, dass an Weihnachten alle gesund sein würden. Der Rest unserer Familie blieb vorerst von dem Magen-Darm-Infekt verschont.
Heiligabend verlief relativ ruhig, wir feierten im kleinen Kreis, nur Stefan, Emil, Johann und ich. Die Kinder und ich schmückten mittags den Baum und schauten uns dann traditionell „drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Fernsehen an, bevor die Bescherung stattfand. Emil und Johann schafften es in einer Rekordzeit von fünf Minuten alle Geschenke aufzureißen und waren danach so mit Spielen beschäftigt, so dass der Rest des Abends sehr ruhig und entspannt ablief. Die Nacht vor Heiligabend hatte ich relativ gut geschlafen, dennoch saß mit der Schlafmangel der letzten Nächte noch in dem Knochen.
Den 25. Dezember hatten wir uns frei gehalten, wir wollten uns an diesem Tag einfach nur entspannen und alles ruhig angehen lassen, denn am 26. hatten wir bei uns ein Weihnachtskaffee mit unseren Familien geplant. Doch am Mittag des ersten Weihnachtsfestfeiertages entwickeln Emil Fieber, er was so schlapp, dass er sich freiwillig ins Bett legen wollte und tatsächlich drei Stunden schlief. Kurz darauf musste er sich übergeben, leider schaffte es nicht mehr bis zur Toilette. Zum Glück blieb es bei diesem einen Erbrechen, aber das leichte Fieber fiel nicht. Da uns von den vorherigen Infekten noch sehr deutlich war, dass sie auf den INR Wert reagieren können, maßen wir ihn an diesem Abend außerhalb der Reihe. Und tatsächlich, der Wert war mit 4,2 etwas erhöht.
Wir sagten das Familientreffen für den nächsten Tag ab und beschlossen, am Abend des 26. Dezembers erneut den Gerinnungswert von Emils Blut zu kontrollieren, da wir den Verdacht hatten, dass er noch weiter gestiegen war. An diesem Tag fühlte Emil sich schon deutlich besser als am Vortag, er musste weder brechen, noch war das Fieber zurückgekehrt. In der Nacht hatte er allerdings knapp 39 Grad gehabt, weshalb ich ihm einen Fiebersaft verabreicht hatte. Johann war sehr erkältet und auch Stefan fühlte sich nicht wohl, insofern waren wir trotzdem froh, dass wir das Familientreffen verschoben hatten.
Gegen sieben Uhr abends maß ich Emils INR Wert. Und fiel fast vom Glauben ab. Der Wert lag bei 7,5. So hoch war er noch nie zuvor gewesen! Wie hatten in der Schulung gelernt, dass wir eine Kontrollmessung vornehmen sollen wenn der INR außerhalb des Zielbereiches liegt, denn das Coagua Check Gerät mit dem wir messen, verliert außerhalb des Zielbereichs seine Genauigkeit. Leider bestätigte die zweite Messung das vorherige Ergebnis. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wir hatten gelernt, dass bei einem so hohen Gerinnungswert erhöhtes Blutungsrisiko besteht, so kann schon ein kleiner Schlag oder Sturz zur Gefahr werden. Stefan und ich entschlossen uns, dass er mit Emil in die Kinderklinik fahren sollte, während ich mit Johann zu Hause blieb.
In der Kinderklinik wurde Emil zuerst Blut abgenommen, die Ärzte wollten den INR im Labor bestätigen. Die Laborergebnisse sind deutlich genauer als unser Meßgerät. Leider hat die hiesige Kinderklinik kein eigenes Labor und so musste Jajos Blut erst in das Labor eines anderen Krankenhauses gebracht werden. Während wir auf das Ergebnis warteten, durften Stefan und Emil fürs Erste nach Hause, die Ärzte wollten uns anrufen, sobald die Blutergebnisse da waren. Dann wollten sie sich mit den Kardiologen im Kinderherzzentrum kurzschließen und gemeinsam entscheiden, was am Besten zu tun sei.
Ungefähr eineinhalb Stunden später klingelte das Telefon. Der Wert lag sogar bei 7,9! Die Ärzte hatten entschieden, dass Emil Vitamin K benötigte, denn dieses senkt den INR Wert. Stefan konnte es in der Klinik abholen und zu Hause verabreichen. Am nächsten Morgen um acht sollten wir wieder mit Jajo zur Blutkontrolle kommen. Also machte sich mein Mann erneut auf den Weg in die Kinderklinik und wir gaben Emil das Medikament, bevor wir ihn in mein Bett brachten. Ich wollte ihn in dieser Nacht nicht alleine lassen, zu groß war die Angst, dass er aus dem Bett fallen und sich verletzen könnte. Ich polsterte mein Bett mit einem alten Stillkissen aus und legte ein paar Kissen vors Bett, damit er in jeden Fall abgesichert war.
Am nächsten Morgen weckte ich meinen Sohn um viertel nach sieben und wir fuhren in die Kinderklinik. Emil war so müde, genau wie ich, hatte ich doch in dieser Nacht wieder sehr schlecht geschlafen. Zum Glück mussten wir nicht warten und durften sofort in einen Behandlungsraum durchgehen. Mein Sohn hasst es so sehr, wenn er Blut abgenommen bekommt und dieses Mal gerieten wir leider wieder an eine Ärztin die mehrfach erfolglos zustach, ohne eine gute Vene zu treffen. Dazu muss man allerdings noch sagen, dass Jajo wirklich schlechte Venen hat. So mancher Arzt hat bei ihm schon sein Glück versucht und ist kläglich gescheitert. Diese Ärztin war allerdings so klug und rief einen erfahrenen Kollegen, der es schon beim ersten Pieks schaffte, eine gute Vene zu treffen. Nachdem wir die Blutabnahme hinter uns gebracht hatten, frühstückten Emil und ich noch in der Krankenhauscafeteria.
Drei Stunden später hatten wir immer noch nicht das Ergebnis der Blutentnahme. Stefan und ich begannen unruhig zu werden und am späten Mittag riefen wir in der Klinik an. Natürlich erreichten wir niemanden der sich zuständig fühlte, aber man versprach uns, sich darum zu kümmern. Und tatsächlich; eine weitere Stunde später klingelte das Telefon. Der INR Wert war dramatisch gefallen, er hatte Morgens bei 2,3 gelegen, dass heißt er war innerhalb von zwölf Stunden von 7,9 auf 2,3 runter gegangen. Das Vitamin K hatte seine Aufgabe wohl etwas zu gut erledigt. Nun war zwar die Gefahr von inneren Blutungen gebannt, dafür konnten sich jetzt aber Thromben – also kleine Blutgerinnsel – an der Klappe festsetzen und eine Lungenembolie oder einen Hirninfarkt auslösen. Es hieß also, den INR Wert wieder hoch zu treiben, außerdem müssten wir Emil Clexane (Heparin) spritzen. Einen ähnlichen Fall hatten wir ja bereits im Sommer gehabt. Zudem sollten wir zur erneuten Blutabnahme an diesem Nachmittag in die Kinderklinik kommen.
Dieses Mal fuhr Stefan mit Emil hin und dieses Mal war der INR sogar auf 1,6 gefallen. Jajo erhielt an diesem Tag eine doppelt so hohe Dosis Marcumar wie sonst und ich spritzte ihm morgens und abends Clexane in seinen Oberschenkel. Er hasste es so sehr, er schrie und weinte und tat uns so leid. Abends telefonierten wir noch einmal mit den Ärzten der Kinderklinik, diese wollten nun auch schauen, ob die Heparindosis die Emil erhielt, ausreichen war. Wir sollten ihm nachts Clexane spritzen und fünf, spätestens sechs Stunden später zur Blutkontrolle in die Kinderklinik fahren. Erst hieß es, dass wir um zwölf Uhr Nachts spritzen und um fünf Uhr morgens zur Kontrolle sollten, später einigten wir uns darauf, dass ich Emil um ein Uhr nachts die Spritze setzen und um sieben Uhr mit ihm in der Klinik sein sollte. Ich hatte die Hoffnung, dass wir gegen halb acht wieder zu Hause sein würden und Jajo dann noch etwas schlafen würde. Leider war er nach der Aktion zu aufgedreht um nochmal zu schlafen, aber ich legte mich nochmal hin.
Meinen schlafenden Sohn nachts um eins zu wecken und ihn mit einer Spritze zu malträtieren war die Hölle. Ihn dann aber knapp sechs Stunden erneut aus dem Schlaf zu reißen damit er wieder gepiekst wurde, war wirklich schlimm. Er tat mir so entsetzlich leid und ertrug dennoch alles so tapfer.
Der INR war nach wie vor viel zu niedrig aber wir besprachen mit den Kinderärzten, dass wir den Wert von nun an zu Hause kontrollieren würden. Emil sollte so lange Clexane gespritzt bekommen, bis er mindestens zwei Tage im Zielbereich lag. Wir mussten also nicht mehr zur Blutabnahme in die Klinik, das die ganze Sache schonmal erheblich vereinfachte.
Und tatsächlich, zwei Tage später lag Emil wieder im Zielbereich und Silvester erhielt er die letzte Dosis Clexane. Wir alle waren so unsagbar froh, diesen Höllenritt hinter uns gebracht zu haben. Emil bekam zwar noch eine leichte Bronchitis, aber seltsamerweise blieb der INR Wert dieses Mal davon unberührt, so dass wir aktuell (Anfang Januar) nur noch alle zwei Tage messen.
Wir feierten Silvester bei uns zu Hause mit einigen Freunden und versuchen nun in den letzten Urlaubstagen die Stefan und die Kinder noch haben die Entspannung zu finden, die uns zwischen Weihnachten und Neujahr versagt geblieben ist. Es sieht aktuell ganz gut aus, in unserem Ofen brutzelt in diesem Moment die Ente, die wir eigentlich für die Tage nach Weihnachten geplant hatten und die Kinder sind so fit, dass sie den Schnee genießen können, der inzwischen liegt. 😀