Der letzte Tag auf Czerny

23. Mai 2016

Am Montag den 23. Mai war es dann endlich soweit: Wir durften recht überraschend nach Hause. Ich hatte an diesem Tag gar nicht damit gerechnet, denn Emil war nach wie vor sehr schwach und blass, außerdem hatte keiner der Ärzte mir gegenüber erwähnt, dass an diesem Tag die Entlassung geplant war. Zwei Tage vorher – an einem Samstag – war der ZVK rausgekommen und so konnte mein Sohn sich endlich etwas freier bewegen. Es trägt schon eine Menge zur psychischen Heilung bei wenn man keinen Infusionsständer mehr mit sich führen muss. Meine Schwiegermutter war an diesem Wochenende bei ihm und nutzte die Gelegenheit prompt um Emil mehrmals täglich zu motivieren ihn in die Krankenkauscafeteria zu begleiten.


Trotzdem sprach an diesem Wochenende noch niemand offiziell davon das wir nach Hause durften. Ich rechnete Dienstag oder Mittwoch mit der Entlassung aus dem Kinderherzzentrum. Sonntag Nachmittag kehrten Stefan und ich nach Gießen zurück um den zweiten Teil der erforderlichen Marcumar-Schulung hinter uns zu bringen. Stefan kehrte danach nach Siegen zurück und ich blieb in meinem Elternapartment. Da die Zeit in Gießen nun langsam aber sicher zu Ende ging, gönnte ich mir noch einmal eine leckere Mahlzeit von unserem Lieblings-Chinesen.

Am nächsten Morgen hatten wir immer noch kein offizielles Statement was die Entlassung betraf. Da ich aber weiß, wie es in Gießen läuft, regte mich das Ganze wenig auf. Das einzige was ein wenig nervte, war die Tatsache, dass wir so gar nichts planen konnten. Ich hatte zwar am Abend zuvor den größten Teil von Emils Klamotten und auch von meinen Sachen im Apartment gepackt, aber wir waren dennoch davon abhängig, dass Stefan uns abholte, denn ich hatte kein Auto in Gießen. Ich begann den Tag mit Emil trotzdem wie immer, wir frühstückten, ich wusch ihn, putzte seine Zähne, zog ich an und dann gingen wir zu Andrea ins Spielzimmer.

Der Tag verlief wie immer. Ich hatte mittlerweile viele sehr nette Kontakte auf Czerny geschlossen mit denen ich mich unterhalten konnte und Emil spielte unterdessen mit Andrea. Zwischendurch mussten wir zur kapillaren Blutentnahme, das bedeutet, dass meinem Sohn etwas Blut aus der Fingerkuppe entnommen wurde. Das war der einzige Nachteil das Emil nun keinen ZVK mehr hatte, er musste wieder gepiekst werden. Am Nachmittag könnte ich Emil überreden, endlich seinen Handabdruck auf einer Wand auf Czerny zu hinterlassen, wie hunderte kleiner Patienten vor ihm. Bis jetzt hatte er sich immer geweigert, denn Emil mag es gar nicht wenn Farbe an seinen Händen ist. Doch diesmal ließ er sich überzeugen. Ich war so stolz! Und dann – endlich – erfuhren wir von unserer Kardiologin, dass es heute heim gehen würde. Wir sollten nur auf eine letzte Schrittmacherauslese und den Arztbrief warten. Etwas verwirrt rief ich Stefan an.


So sehr ich mich auch auf mein zu Hause, auf mein Bett und vor allem auf meinen Johann freute, ein wenig ängstigte mich die Situation auch. Ich war wieder einmal in einem komplett anderen Leben gefangen gewesen, einem Leben mit sehr viel Angst, körperlichem und emotionalen Stress, in dem wir aber auch jeder Art der Eigenverantwortung abgenommen gewesen war. Nun sollte ich wieder zurückkehren in meinen Altag, musste wieder alles selber managen, trug die Verantwortung für zwei Kinder von denen eines noch immer sehr krank und das andere sehr wild war! Außerdem hatte ich begonnen, mich auf Czerny sehr wohl zu fühlen. Ich möchte die Erzieherinnen und die meisten Schwestern und hatte viele beeindruckende und starke Mütter kennenlernen dürfen. Diese Sorgen schwirrten in meinem Kopf herum und ich muss sagen, dass sie meine Freude auf zu Hause kurzzeitig ein wenig dämpften.


Am späten Nachmittag durften wir endlich zur Schrittmacherabfrage. Vorher hatte ich Stefan angerufen, der sich sofort auf den Weg machte. Nachdem er da war und das Auto mit Emils Gepäck vollgeladen hatte, begann unser Warten auf den Arztbrief. Unsere Kardiologin war allerdings ziemlich im Stress und riet uns ersteinmal das Elterrnapartment auszuräumen, da das Schreiben des Briefes noch eine ganze Weile dauern würde. Wie ließen Jajo auf Czerny, der schaute „Feuerwehrmann Sam“ auf den iPad und begaben uns in mein Apartment. Gegen sechs waren wir zurück auf Czerny. Und inzwischen war auch der Brief fertig geworden. Nachdem wir ihn und die für die nächsten Tage nötigen Medikamente erhalten hatten und ich mich von all den tollen und starken Mamas verabschiedet hatte, machten wir uns endlich auf den Heimweg. Mittlerweile war es ungefähr halb acht Uhr abends. Traditionell führen wir auf dem Rückweg noch bei McDonalds vorbei um dann noch unseren Jüngsten bei meiner Mutter abzuholen. Gegen halb zehn waren wir zu Hause. Endlich!