21.04.2016
Stefan und ich sitzen auf der Station Czerny und warten auf Neuigkeiten aus dem OP. Nachdem die OP wegen eines Notfalls einen weiteren Tag nach hinten geschoben werden musste, ist Emil nun seit heute Morgen um halb neun im OP. Jetzt ist es fast halb neun Uhr abends. Das es ein großer Eingriff werden würde war uns bewusst. Das aber erneut Komplikationen auftreten würden, damit haben wir nicht wirklich gerechnet.
Emil war guter Dinge, als es heute morgen los ging. Und auch Stefan und ich waren optimistisch gestimmt. Nachdem ich gestern einen halben Nervenzusammenbruch hatte als der Eingriff erneut verschoben werden musste, nahm ich eine der Tabletten gegen Angsstörungen, die ich mir hatte aufschreiben lassen. Dummerweise habe ich diese überdosiert und so war ich gestern den halben Tag ausgeknockt. Zum Glück hatte ich so wenigstens eine ruhige Nacht.
Als wir heute gehen fünf auf der Intensivstation ankamen, waren auch wir noch recht guter Dinge. Der Chef der Kinderkardiologie – ein unverbesserlicher Optimist – meinte, dass es dem Chirurgen gelungen sei die Mitralklappe erneut zu rekonstruieren. Wir freuten uns sehr über diese Nachricht, denn das hätte bedeutet, dass Emil vorerst ohne Marcumar auskommen würde. Zehn Minuten später kam er allerdings zurück und teilte uns mit, dass die Klappe doch zu undicht sei und nun gegen einen künstlichen Mitralklappenersatz ausgetauscht werden würde. Emil musste also erneut an die Herz-Lungen-Maschine, vom der er zuvor schon abgemacht worden war. Der Chef meinte, dass das nun noch so ein zwei Stunden dauern könne.
Vier Stunden später sitzen wir immer noch wartend auf Czerny und bekommen nur kleckerweise Informationen. Diese letzten vier Stunden waren Nervenkrieg pur. Zwischendurch habe ich eine viertel Tablette gegen Angststörungen genommen. Das Licht im Flur ist gedämmt, denn auf Czerny herrscht Nachtruhe. Ab und an kommt eine Nachtschwester vorbei, sieht unsere besorgten Gesichter, fragt ob sie irgendetwas für uns tun kann, ob wir einen Tee, einen Kaffee möchten. Während die Tablette bei mir zu wirken beginnt, dreht Stefan – sonst mein Ruhepol – beinahe durch. Er kann kaum noch sitzen, läuft auf und ab. Unsere Kinderkardiologin, welche Nachtdienst auf Intensiv hat, ist mittlerweile hoch gekommen auf Czerny und im Ärztezimmer verschwunden. Dort bleibt sie, zehn Minuten, zwanzig Minuten. Für uns ist das ein schlechtes Zeichen, warum hören wir denn nichts von ihr, es muss doch etwas schlimmes passiert sein. Nach einer halben Stunde hält Stefan es nicht mehr aus, er fragt nach. Immer noch nichts Neues aus dem OP. Warum nicht? Was passiert da? Diese Warterei ist die Hölle. Mittlerweile glaube ich fast, dass Emil gestorben ist und man es uns noch nicht sagen will. Ich drehe halb durch, bin äußerlich aber ruhig. Wegen des Medikaments. Dann glaube ich wieder, dass es „nur“ Komplikationen gab, das Emil am ECMO hängt oder sein Thorax nicht verschlossen werden kann… Nun ist es fast 22 Uhr, unsere Kardiologin teilt uns mit, dass die OP beendet ist. Ich frage sie, ob Jajo lebt, so durch den Wind sind Stefan und ich mittlerweile. Sie bejaht, Emil wird grade auf Intensiv gebracht und an alle Maschinen angeschlossen. Die Kardiologin geht auf Intensiv um Emil zu empfangen. Wir wissen noch vom letzten Mal, dass das nochmal bis zu einer Stunde dauern kann. Trotzdem: Gleich dürfen wir zu ihm. Stefan gesteht mir später, dass diese Stunden die schlimmsten seines bisherigen Lebens waren…
Liebe Kerstin, lieber Stefan!
Wir denken seit unserer Abfahrt aus Giessen täglich an Euch, Paul fragt quasi alle zwei Tage wie es Laurin geht?! Bei Gelegenheit erzählen wir wie es bei uns war als wir zurückkamen, aber es hat selbst bei uns mit unserer vergleichsweise sehr kurzen Zeit in der Klinik, ein wenig gedauert, bis wir wieder „angekommen“ und im Alltag waren. Wir sind erleichtert und dankbar für alles und hoffen nun dass bei Euch auch alles gut wird und Laurin sich nach und nach erholt und inzwischen weitere Gesundungsschritte gemacht hat!? Wir senden neu gewonnene Kraft und liebe Grüsse zu Euch ! Katja (Mutter von Paul)