Die Zerissenheit mit zwei Kindern

April 2016

Diesmal ist alles anders als die vorherigen Male. Denn diesmal ist da noch Johann. Dieses Mal habe ich zwei Kinder die mich brauchen. Und das vereinfacht die Sache nicht eben. Ich weiß, dass ich mich nicht zerreißen kann, das Emil mich im Moment mehr braucht als Johann. Mein Verstand weiß das. Mein Gefühl will aber für beide Kinder da sein. Denn ich weiß, wie sehr auch Geschwisterkinder unter einer solchen Situation leiden. Zum Glück haben wir einen guten familiären Hintergrund der uns unterstützt. Es ist immer jemand für Johann da. Und trotzdem war der Moment schrecklich für mich als wir uns mit Emil auf den Weg nach Gießen machten. Denn ich musste meinen Jüngsten zurück lassen und das auf unbestimmte Zeit.

Stefan brachte Johann an diesem Morgen in den Kindergarten.  Johann schien in diesem Moment gar nicht so bewusst zu sein, dass wir uns länger nicht sehen würden. Natürlich hatten wir ihm erklärt, dass Emils Herzchen krank ist und das es im Krankenhaus repariert werden muss. Und wir hatten auch viele Male darüber gesprochen, dass ich mit Emil in Gießen bleiben würde und Oma Jutta – meine Mutter – sich in der Zeit um ihn kümmern würde. Er hatte jedesmal geweint und mich gebeten, bei ihm zu bleiben. „Du sollst bei mir sein Mama, der Papa und die Oma Jutta können doch bei Jajo bleiben,“ hatte er gesagt. Das hatte mir jedes Mal das Herz zerrissen. An diesem Morgen aber war Johann verhältnismäßig gut drauf. Als ich ihm und Stefan hinterher winkte, musste ich ein bißchen weinen. Aber Emil tröstete mich.


Die meiste Zeit über würde meine Mutter bei uns einziehen um sich um Johann zu kümmern. Ich möchte, dass er ein Stück an Normalität hat. Meine Mutter wohnt mit meiner Oma zusammen und pflegt sie. Meine Oma ist letzten Monat 101 geworden und benötigt demzufolge viel Hilfe im Alltag. Die erste Woche kam also mein Onkel um sich um meine Oma zu kümmern, die zweite Woche meine Tante. Meine Mutter bringt Johann nun morgens in den Kindergarten und hat danach etwas Zeit für sich. An dem ersten Wochenende das wir in Gießen verbrachten, wurde Johann von meinem Bruder Nils abgeholt. Mein Jüngster ist sehr gerne da, denn Nils und seine Frau Anne haben einen Sohn, Bert, der nur ein halbes Jahr jünger ist als Johann. Die beiden spielen sehr schön miteinander. Nils und Anne unternahmen an diesem We sehr viel mit den Jungs, waren auf dem Indoor Spielplatz, gingen in die Stadt, badeten beide zusammen und es gab natürlich Pommes. Johann genoß das Wochenende sehr und beide Kinder waren sehr traurig, als Nils Johann zurück zu meiner Mutter brachte. Mit dem Wissen das es Johann so gut ging, könnte ich mich etwas entspannen, jedenfalls was diese Sorge betrifft.


Und trotzdem: jedesmal wenn ich mit Johann telefoniere weinen wir beide. Ich mache oft Selfie Videos mit meinem Handy und schicke sie an Stefan, damit er sie Johann abends zeigt. Ich habe meinen großen Kleinen seit einer Woche nicht gesehen und er fehlt mir sehr. Sobald Emil stabiler ist – und das sieht aktuell gut aus – werde ich mal einen Tag nach Hause fahren um bei ihm zu sein und Stefan fährt alleine nach Gießen. Oder Stefan bringt Johann mit und ich mache mir hier einen schönen Tag mit ihm, einen „Johann-Tag“. Sobald Jajo auf Czerny ist, kann meine Schwiegermutter auch mal ein paar Tage einspringen, sie löst mich dann hier ab. Darüber bin ich so froh, denn die Tage auf Czerny sind wirklich sehr anstrengend. Wie gesagt: ich bin so froh, dass wir einen großen familiären Hintergrund haben. Und trotzdem zerreißt es mir das Herz.