Januar 2012
Der errechnete Geburtstermin unseres zweiten Sohnes war der 04. Februar, doch da Emil 12 Tage vor dem errechneten Termin zur Welt gekommen war, rechnete ich auch diesmal eher mit unserem Baby.
Ein paar Tage nach der Entlassung aus dem Kinderherzzentrum brachte ich Emil zum ersten Mal wieder in den Kindergarten. Er hatte mehr als fünf Wochen gefehlt und ich hatte Sorge, dass es Probleme mit der erneuten Eingewöhnung geben würde. Doch dem war nicht so. Emil schien sich zu freuen, wieder in den Kindergarten gehen zu dürfen. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Den Januar verbrachten Emil und ich ansonsten mit süßem Nichtstun. Ich genoss den Rest meiner Schwangerschaft, denn trotz der hin und wieder immer noch auftretenden Übelkeit, des Erbrechens und der beschwerlichen Zeit im Krankenhaus, fühlte ich mich sehr wohl mit meinem dicken Bauch. Ich bin immer gerne schwanger. Während der langen Zeit im Krankenhaus aber lief die Schwangerschaft einfach so mit und ich hatte kaum Zeit, mich mit unserem Baby zu beschäftigen. Es hatte nur Emil gezählt. Nun fehlten mir diese fünf Wochen der Vorfreude, des Genießens meines dicken Bauches, des einfach nur schwanger Seins. Dazu kam die Angst, dass sich der Streß dieser Zeit auf unser Baby übertragen haben könnte. Was würde mich erwarten? Vielleicht ein nervöses und unruhiges Schreikind? Und wäre ich dem nach all dem Streß auch gewachsen? Ich beschloss schließlich, mich nicht mehr verrückt zu machen sondern die letzten paar Tage meiner Schwangerschaft einfach zu genießen.
Für den 20. Januar hatten wir noch ein Fotoshooting bei einer Fotografin geplant. Ich wollte noch ein paar schöne Erinnerungen von meinem dicken Bauch, schließlich würde diese Schwangerschaft vermutlich meine letzte sein. Die Bilder wurden einfach traumhaft schön. Emil hatte deutlich Spaß dabei und das sieht man den Bildern auch an.
In der Nacht vom 26. auf den 27. Januar – einem Freitag morgen – wachte ich gegen vier Uhr morgens auf weil ich zur Toilette musste. Dabei bemerkte ich, dass ich etwas Blut verloren hatte. Eine Stunde später bekam ich leichte Wehen. Als es Zeit zum aufstehen war, teile ich Stefan mit, dass er heute sicherlich nicht zur Arbeit gehen würde. Ich schaffte es noch Emil für den Kindergarten fertig zu machen und ging duschen, während Stefan unseren Erstgeborenen in den Kindergarten brachte. Dann fuhren wir sicherheitshalber in die Klinik. Nachdem die Hebamme mich untersucht hatte, wurden wir aber erst noch einmal nach Hause geschickt, der Muttermund hatte sich erst einen Zentimeter geöffnet. Ich war so frustriert, hatte ich doch mittlerweile schon ziemlich starke Wehen und das seit fünf Stunden. Zu Hause holte Stefan Emil aus dem Kindergarten ab und brachte ihn zu meiner Mutter. In dieser Dreiviertel Stunde die er Unterwegs war konnte ich nochmal Kraft tanken, ich schlief sogar kurz ein. Wenig später erhielt ich eine SMS von einer meiner besten Freundinnen, die parallel mit mir schwanger war. Sie hatte in der Nacht ihre Tochter zur Welt gebracht. Ich freute mich sehr darüber und hoffte, dass es unser Sohn heute auch noch auf die Welt schaffen würde.
Nach Stefans Rückkehr wollten wir die Zeit zwischen den Wehen stoppen. Ich legte mich vor den Fernseher und schaute mir „Law&Order SVU“ an, eine meiner Lieblingsendungen, während Stefan am Küchentisch saß und noch etwas arbeitete. Die Wehen wurden immer heftiger und als auch die Zeitabstände kürzer wurden beschlossen wir, erneut in die Klinik aufzubrechen. Im Kreißsaal angekommen, war der Muttermund immer noch bei zwei Zentimetern. Ich hätte schreien mögen. Bei Emils Geburt kam ich damals mit fünf Zentimeter geöffnetem Muttermund in die Klinik und es endete trotzdem in einem Kaiserschnitt. Ich begann mir Sorgen zu machen. Wir wurden fürs erste in mein Zimmer geschickt, da es für den Kreißsaal noch zu früh wäre. Ich sah die Geburt bereits wieder in einer Sectio enden, dabei wollte ich doch so gerne eine spontane Geburt. Diesmal hatte ich extra eine andere Entbindungsklink gewählt, denn das Krankenhaus in dem Emil geboren war ist dafür bekannt, voreilige einen Kaiserschnitt durchzuführen. Der einzige Punkt der dagegen gesprochen hatte die Klinik zu wechseln war die Tatsache, dass das Krankenhaus in dem Emil geboren war eng mit der Kinderklinik zusammen arbeitete. Ich hatte deshalb ein paar Wochen vor der Geburt unseres zweiten Babys mit dem Kinderkardiologen der Emils Herzfehler entdeckt hatte besprochen, dass er meinen Sohn kurz nach der Geburt untersuchen würde.
Gegen fünf Uhr am Nachmittag – ich hatte bereits zwölf Stunden Wehen hinter mir – versuchten wir die Geburt durch Laufen voranzutreiben. Ich lief also die kompletten Treppen des Krankenhauses rauf und wieder runter, immer wieder unterbrochen von stärken Wehen. Gegen halb sechs kehrten Stefan und ich in den Kreißsaal zurück. Der Muttermund war diesmal fünf Zentimeter geöffnet, immerhin. Da die Schmerzen mittlerweile meine ganze Kraft raubten, ließ ich mir ein Schmerzmittel geben. Doch das bewirkte nur, dass ich mich fühlte als hätte ich eine ganze Flasche Sekt auf Ex gekippt. Allerdings waren die Wehenpausen dadurch lustiger. 😉 Langsam ging es voran. Gegen halb zehn hielt ich es nicht mehr aus und ich lies mir eine PDA geben. Trotz der Rückenmarksbetäubung hatte ich noch Schmerzen, aber sie wurden erträglicher. Es zeichneten sich die gleichen Probleme ab wie bei Emils Entbindung. Der Kopf rutschte einfach nicht ins Becken und der Muttermund wollte sich nicht vollständig öffnen. Doch ich kämpfte. Ich quälte mich in den Vierfüßlerstand und die Schwerkraft zu unterstützen obwohl ich keine Kraft mehr hatte. Mittlerweile war es vier Uhr morgens, ich hatte seit 23 Stunden Wehen und eine erneute Sectio drohte. Doch mt letzter Kraft schaffte ich es schließlich, unserem Baby auf die Welt zu helfen.
Am 28.01.2012 um 4.43 Uhr – acht Tage vor dem errechneten Termin – erblickte Johann das Licht der Welt. Er war 54 cm lang, wog 3800 g und hatte einen Dickkopf von 37 cm. Wir waren komplett, ich war so glücklich.