Januar 2012
Vier Tage vor Heiligabend wurden wir also entlassen. Es fiel mir schwer, auch nur ein bißchen Weihnachtsstimmung zu entwickeln, waren wir doch die komplette Vorweihnachtszeit im Krankenhaus gewesen. Wir hatten bisher weder Weihnachtsschmuck aufgehängt noch einen Weihnachtsbaum gekauft. Auch die Besuche auf dem Weihnachtsmarkt waren in diesem Jahr ausgefallen. Ich hörte mit Emil also alle Weihnachtskinder CDs, die unser Wurm besaß, rauf und runter und schmückte unser Haus noch schnell mit ein paar Dingen.
Heiligabend verbrachten wir relativ ruhig mit meiner Schwiegermutter und meinem Schwager. Ich wollte kein aufwendiges Mahl zubereiten, denn ich war körperlich und psychisch am Ende meiner Kräfte. Deshalb gab es Fondue und ich zauberte einen Salat dazu. Auch die restlichen Feiertage verbrachten wir in Ruhe. Am ersten Weihnachtsfeiertag besuchten wir meine Mutter und trafen dort auch meinen Bruder und meine Schwägerin. Am zweiten Weihnachtsfeiertag hatte ich ein paar Freunde eingeladen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die ganze Arbeit nicht allein an mir hängenblieb. Das war ein schöner Abend und es tat gut, meine Freunde nach dieser anstrengenden Zeit um mich zu haben.
Am 29. Dezember hat meine Schwiegrmutter Geburtstag. Stefan hatte geplant, für zwei Tage allein mit Emil hinzufahren, damit ich mich vor der Geburt unseres Babys und nach der vergangenen stressigen Zeit noch etwas erholen konnte. Ich freute mich sehr auf diese zwei Tage, denn so sehr ich meine Familie auch liebte, ich hatte es bitter nötig. Abends gegen sieben/halb acht – ich wollte mir grade etwas zu essen bestellen – rief Stefan an. Emil sei erneut tachykard und würde nicht allein aus der Rhythmusstörung rauskommen, er hätte jetzt einen Krankenwagen gerufen um Emil in die Siegener Kinderklinik zu bringen. Ich brach innerlich zusammen. Würde das denn niemals enden? Er nahm doch schon so starke Medikamente, die genau das verhindern sollten! Stefan meinte noch, ich solle mich in ca einer halben Stunde auf den Weg in die Klinik machen, dann würde er voraussichtlich mit Emil dort ankommen. Ich versuchte ruhig zu bleiben, packte ein paar Sachen für Emil ein, dann fuhr ich los.
Ich weiß nicht mehr, wie ich in die Klinik gekommen bin, aber zum Glück landete ich in einem Stück dort. Der Krankenwagen war vor kurz vor mir eingetroffen und ich konnte sofort zu Stefan und Emil. Wir wurden in ein Untersuchungszimmer geführt und Emil sofort an ein Pulsoximether geschlossen. Die Herzfrequenz schnellt hoch auf über 200 Schläge pro Minute. Die Schwester versuchte, den Kinderkardiologen zu erreichen und Emil wurde – schon wieder – auf die Intensivstation gebracht. Als der Kardiologe eintraf, führte er als erstes einen Ultraschall durch. Emil litte wieder an einer Vorhoftachykardie, er wolle jetzt versuchen, das Ganze medikamentös in den Griff zu bekommen. Also versuchten die Ärzte und Schwestern, meinem Sohn einen Zugang zu legen. Ich habe ja bereits erwähnt, dass dies ein sehr schwieriges Unterfangen ist. Sie stachen drei, vier, fünfmal erfolglos in Emils Arme und Beine und unser Wurm wehrte sich und schrie aus Leibeskräften. Er tat mir so unsagbar leid! Die Ärzte versuchten unterdessen, Emil ersteinmal mit Dormikum zu sedieren, um besser nach einer geeigneten Vene suchen zu können. Doch auch das scheiterte kläglich, denn unser Sohn verträgt durch die lange Narkosezeit nach der letzten OP einfach zu viel. Schließlich schaffte ein Arzt es, eine Vene zu treffen. Durch das Medikament kam Emil recht schnell aus der Tachykardie raus. Am nächsten Morgen telefonierte unser Kardiologe mit dem Kinderherzzentrum in Gießen, wie denn nun weiter verfahren werden solle. Gemeinsam beschloss man, dass es sicherer wäre, Emil nach Gießen zu verlegen, um ihn dort erneut auf die Medikamente einzustellen. Also wurden wir wieder mit dem Krankenwagen ins Kinderherzzentrum gebracht. Es war ein Tag vor Silvester und Czerny war leer. Wir landeten wieder in „unserem“ Zimmer und in „unserem“ Bett. Sollte das diesmal Glück bringen?
Nach und nach wurde immer deutlicher, dass Emils Herz immer dann in eine Tachykardie rutschte, wenn er einen Infekt hatte und Fieber bekam. So wurde auch diesmal eine leichte Bronchitis diagnostiziert, die der Auslöser zu sein schien. Diese Tatsache beunruhigte Stefan und mich, denn Kinder sind in den ersten Jahren ständig krank, vor allem wenn sie grade in den Kindergarten gekommen sind. Die Ärzte beschlossen, Emils Medikamentendosen nochmal zu erhöhen, damit er auch während eines Infekts geschützt war. Zudem sollte er noch einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Ich hatte erneut Glück und bekam ein Apartment der „sieben Zwerge“. Trotzdem entschieden sich Stefan und ich, dass wir den Silvesterabend zu Hause verbringen wollten. Wir fuhren also abends- nachdem Emil eingeschlafen war – nach Hause. Morgens um neun kehrten wir zurück.
Zwei Tage nach Silvester wurde Emil entlassen und es kehrte ein bißchen Ruhe bei uns ein. Jedenfalls bis zum 28. Januar, denn da wurde Emils kleiner Bruder geboren. 😉