Wieder in der Kinderklinik

März 2012

Sechs Wochen später- am 13. März – fing sich Emil erneut einen Infekt ein. Er hustete und röchelte und bekam Fieber. Als Stefan und ich abends bevor wir ins Bett gehen wollten routinemäßig sein Herz abhörten, stellten wir eine erneute Tachykardie fest. Da war sie also wieder, die Angst. Es war mittelerweile nach elf Uhr und wir entschlossen uns, in die Kinderklinik zu fahren. Ich zog Johann an und packte ihn in den Autositz während Stefan sich um Emil kümmerte. Diese nächtlichen Fahrten ins Krankenhaus haben wir so oft erlebt und sie sind jedesmal schrecklich.  In der Klinik angekommen wurden wir in das gleiche Untersuchungszimmer geführt wie im Dezember. Emil wurde an das Pulsoximether angeschlossen und die Herzfrequenz schnellt erneut auf über 200 Schläge pro Minute hoch. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Traum. Der Kardiologe wurde angepiept und Emils sollte auf die Intensivstation verlegt werden. Ich rief verzweifelt meine Mutter an, denn jemand musste sich schließlich um unser Baby kümmern. Johann schlief die ganze Zeit über ganz  lieb in seinem Autositz, glücklicherweise hatte er keinen Hunger. Zum Glück war meine Mutter noch wach und erklärte sich bereit, sich um Johann zu kümmern. Während ich also mit Emil auf die Intensivstation ging, holte Stefan zusammen mit Johann meine Mutter ab und brachte beide zu uns nach Hause. Dann folgte er uns ich die Kinderklinik.

Auf der Intensivstation war mittlerweile auch der Kinderkardiologe eingetroffen. Er machte einen Ultraschall und es wurde erneut eine Vorhoftachykardie festgestellt. Wieder versuchten die Ärzte unserem kranken, weinenden Dreijährigen einen Zugang zu legen. Und sie scheiterten kläglich, das wurde uns und leider auch den Ärzten aber erst viel später klar. Erst einmal dachten wir alle, dass alles ok wäre mit dem Zugang, denn die Kanüle saß und die Medikamente sowie das NaCl (die Kochsalzlösung) liefen in Emils Arm. Doch das Medikament wirkte nicht, Emils Herz kam nicht raus aus der Tachykardie. Die Ärzte standen ratlos um das Bett unseres Kindes herum. Mittlerweile war es tief in der Nacht. Ich hatte solche Angst, warum funktionierte es denn diesmal nicht, was war nur los? Ich fühlte mich wie in einem Albtraum gefangen. Der Kardiologe spritze erneut ein Medikament. Ich glaube, das auch er langsam begann sich Sorgen zu machen. Irgendwann, es wurde langsam Tag, bemerkte jemand – ich weiß nicht mehr wer – dass Emils Zugang nicht in der Vene lag und die Medikamente die ganze Zeit in Emils Arm gepumpt worden waren. Unser armer Schatz hatte mittlerweile einen ganz dicken Arm! Nachdem der Fehler endlich aufgefallen war, konnte ein neuer Zugang gelegt werden und das Medikament schlug sofort an.

Nachdem sich Emils Herzfrequenz endlich normalisiert hatte, schlief er recht schnell ein. Stefan und ich machten uns gegen halb sieben Uhr morgens auf den Heimweg, um wenigstens noch ein,zwei Stunden Schlaf abzubekommen bevor wir wieder in die Kinderklinik zurückkehren wollten. Da meine Mutter mit Johann in meinem Bett lag, schlief ich auf dem Sofa ein. Gegen halb zehn weckte mich Stefan. Ich war körperlich und nervlich am Ende, wollte nur noch schlafen um dann aus diesem Albtraum erwachen. Meine Mutter drückte mir Johann in den Arm und ich genoß die kurze Ruhe mit meinem Baby. In diesem Moment lächelte mich Johann zum ersten Mal in seinem Leben an. Und das gab mir ausreichend Kraft, um die nächsten Tage zu überstehen.

Meine Mutter wohnte damals noch mit ihren Lebensgefährten in dessen Haus und kümmerte sich um ihre 97 jährige Mutter. Sie wollte schnellstmöglich zurück zu meiner Oma, um ihrem Freund abzulösen. Also beschlossen wir, dass sie Johann für ein paar Tage mitnehmen würde, so hatte ich die Möglichkeit, mich in Ruhe um Emil zu kümmern. Es brach mir fast das Herz mein sechs Wochen altes Baby abzugeben, aber mir blieb kaum eine andere Wahl. Ich stillte zu diesem Zeitpunkt noch, also saß ich mehrmals täglich im Stillzimmer der Neugeborenenstation und pumpte Milch ab.

Nach der durchwachten Nacht auf der Intensivstation waren wir alle ziemlich gerädert. Emil war so müde, dass er immer wieder einschlief. Seine Herzfrequenz blieb normal, aber unser Kardiologe hatte mit den Kollegen aus Gießen besprochen, dass Emils Medikation erneut erhöht werden musste. Dieses Mal konnten wir aber in der Siegener Kinderklinik bleiben. Auf der Intensivstation der Kinderklinik Siegen herrschen nicht so strenge Besuchszeiten wie in Gießen. Wir konnten die ganze Zeit bei Emil bleiben, ohne das wir den Raum verlassen mussten. Das entspannte die ganze Situation extrem. Nach einer weiteren Nacht auf Intensiv – die ohne Komplikationen verlief – wurden wir schließlich auf die normale Station verlegt. Emil blieb dort zwei weitere Tage zur Überwachung und wurde schließlich pünktlich zum Wochenende entlassen. Inzwischen war auch der Frühling eingekehrt.