Zwischenfälle

März 2012 bis November 2015

Nachdem wir im März 2012 die Kinderklinik verlassen durften gab es noch einige kleinere Zwischenfälle, die unseren Alltag durchkreuzten.

IMG_0143Im Juni 2012 beispielsweise bekam Emil eine Lungenentzündung und unser Kinderarzt wies uns erneut in die Kinderklinik ein. Aber diesmal blieben die Tachykardien aus, deshalb durften wir nur nach dreiTagen die Klinik wieder verlassen. Meine Mutter nahm Johann die ersten beiden Tage und einen Tag begleitete er mich ins Krankenhaus. Da er so ein zufriedenes und ausgeglichenes Baby war, klappte das prima. Ich hatte den Kinderwagen dabei und trug ihn viel in der Manduca in der er sich interessiert umschaute, bevor er schließlich einschlief.

Die darauffolgenden Lungenerkrankungen konnte Emil zum Glück zu Hause auskurieren. Er wurde wegen zwei weiterer Tachykardien stationär in Gießen behandelt und bekam noch zwei Herzkatheter, ansonsten blieben wir von Krankenhausaufenthalten verschont.

IMG_0147Im Mai 2013 litt Emil erneut unter einem fiebrigen Infekt. Er war schon den ganzen Tag blass und schlapp gewesen, da es aber ein warmer und schöner Tag war entschloss ich mich, mit den Kindern einen Spaziergang zu machen. Ich band mir Johann in der Manduca auf den Rücken und setzte Emil in unseren Buggy. Er war noch immer ein Leichtgewicht, deshalb stellte das kein Problem dar. Nachdem wir wieder zu Hause angekommen waren, schaffte Emil es nicht, sich Schuhe und Jacke auszuziehen. Ich nahm ihn nicht ganz ernst, weil er manchmal schauspielert wenn er keinen Bock hat und schimpfte mit ihm. Wenig später saßen wir zusammen auf dem Sofa und ich fühlte seinen Herzschlag. Er war wieder viel zu schnell. Ich rief Stefan an und er fuhr mit Emil in die Kinderklinik. Dort angekommen, hatte sich die Herzfrequenz wieder normalisiert. Emil sollte trotzdem eine Nacht zur Beobachtung da bleiben und wurde zur Sicherheit noch einmal geschallt. Die Ärzte schrieben ihm zur Sicherheit ein Antibiotikum auf und am nächsten Tag durfte er wieder heim.

Im April 2015 wurde Emils Medikament, das Rytmonorm in der von ihm benötigten 10mg Dosis vom Markt genommen. Das traf mich völlig unvorbereitet. Ich hatte wie immer das Rezept bei unserem Kinderarzt abgeholt und wollte es in der daneben liegenden Apotheke einlösen. Die Apothekerin schaute lange in ihrem Computer, schließlich kannte man uns in dieser Apotheke und hatte immer eine Packung Rytmonorm für uns vorrätig. Doch diesmal nicht. Da sich das Medikament in dieser Dosis nur an Kinder verkaufen lies, hatte es sich wohl nicht mehr rentiert und war vom Markt genommen worden. Ich fiel fast vom Glauben ab. Die Apothekerin war sehr nett und setzte sich mit dem Kinderherzzentrum in Verbindung, wo das Problem bereits bekannt war. Emil stand die ganze Zeit neben mir und bekam alles mit. Er sah mich mit großen Augen an und sagte plötzlich :“Mama, wenn wir die Medis nicht mehr bekommen, muss ich dann sterben?“ Mir brach das Herz. Er tat mir in diesem Moment so unsagbar leid und ich wollte ihm einfach nur alles abnehmen,  die ganzen Schmerzen, die Operationen, die Medikamente, Tachykardien und Krankenhausaufenthalte. Aber ich konnte es nicht! Das sind die Situationen, wo ich innerlich zusammenbreche. Doch ich schaffte es, Haltung zu bewahren und ihm mit ruhiger Stimme die Angst zu nehmen. Wir fanden dann noch eine Lösung, die Apothekerin und ich. Es gab das Rytmonorm noch in 150 mg Tabletten, wenn man die mit einem Medikamententrenner teilte, erhielt man fast die Dosis die Emil dreimal täglich benötigte. Dass Problem daran war, dass die Tabletten klein waren. Und wenn ich klein sage, dann meine ich klein. Es war kaum möglich, sie in der Mitte zu teilen. Aber wir taten es trotzdem, irgendwie.

IMG_0149IMG_0152IMG_0151Im Mai 2015 erlitt Emil eine erneute Tachykardie. Er war über´s Wochenende mit meiner Schwiegermutter im Legoland gewesen und kehrte erst am Montag zurück. Es war für beide ein schönes aber anstrengendes Wochenende gewesen und Emil hatte viel zu erzählen. Abends durfte er in meinem Bett schlafen. Als ich mich später hinlegte, nahm ich ihn in den Arm um ein bisschen zu kuscheln. Emil lag auf meinem Arem und ich merkte, dass sein Herz zu schnell schlug. Nicht so schnell wie während der letzten Tachykardien, aber viel schneller als der Schrittmacher es erlaubte. Ich weckte Stefan um er zählte die Herzschläge. Emils Herzfrequenz lag diesmal „nur“ bei ca. 100 Schlägen in der Minute, war für ihn aber trotzdem viel zu schnell ist. Wir beschlossen, bis zum Morgen abzuwarten und dann zu entscheiden, was wir tun würden. Diesmal war die Situation ja nicht lebensbedrohlich. Wie entschieden uns gegen Mittag, dass ich mit Emil nach Gießen fahren würde. Johann – inzwischen drei – brachte ich auf dem Weg dahin zu meiner Mutter. In Gießen angekommen, wurden wir erstmal in die Notfallambulanz geschickt, da wir ja keinen regulären Termin in der Herzsprechstunde hatten. Dort warte ich mit meinem tachykartem Kind zwei Stunden, ehe wir an der Reihe waren. Wir wurden von einem jungen Assistenzarzt betreut, der sich Emils Herz-gesundmach-Narben anschaute und sagte: „oh, der hat ja schon einiges hinter sich.“ Dazu muss ich vielleicht auch noch kurz erklären das Ärzte – die sich nicht auf die Kardiologie spezialisiert haben – immer ganz versessen darauf sind das Herz meines Sohnes abzuhören, weil der Herzfehler deutlich zu hören ist. Ich kannte das schon aus der Kinderklinik Siegen. Wir wurden dann endlich in die Kardiologie zurückgeschickt. Dort wurde ein EKG geschrieben, ein Kardiologe schallte ihn kurz und wir wurden stationär aufgenommen. Das Problem an der Sache war jetzt, dass ich nicht sagen konnte, wie lange sich Emils Herz bereits in diesem Zustand befand, da er ja das Wochenende über nicht bei mir gewesen war. Aus diesem Grund erhielt er erst einmal 24 Stunden lang Heparin (einen Blutverdünner) i.V. um Thromben, die sich möglicherweise gebildet hatten, aufzulösen. Erst nach Ablauf dieser 24 Stunden wurde Emil aus der Tachykardie geholt. Nach diesem Vorfall beschlossen die Ärzte, das Rytmonorm durch ein ähnliches  Medikament –Sotalol – zu ersetzen. Das kam uns nach der ganzen Problematik mit der Medikamententeilung natürlich sehr gelegen. Aber auch das Sotalol musste geteilt werden. Eine Freundin machte uns schließlich darauf aufmerksam, dass es in Siegen eine Apotheke gibt, die Medikamente in Kinderdosen zubereitet. Und diesen Service nehmen wir seit dem in Anspruch. Nachdem Emil erfolgreich auf Sotalol eingestellt wurde, durften wir Czerny nach drei Tagen verlassen. Seitdem sind bei unserem Kind keine Tachykardien mehr aufgetreten.

Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich im Oktober 2015. Emil war mittlerweile ein Schulkind und Johann ging in den Kindergarten. Seit Emil in der Schule ist, habe ich ihn nachmittags zu Hause, während Johann an drei Tagen die Woche über mittags im Kindergarten bleibt. An einem Freitag nachmittag machte ich mich mit Emil auf den Weg um Johann abzuholen. Er klagte schon auf der Treppe zum Kindergarten über Herzschmerzen, da Emil das aber hin und wieder -leider – einsetzt wenn er keine Lust hat zu laufen, dachte ich mir erst einmal nichts dabei. Ich zog Johann an und als wir grade zur Kindergartentür raus waren fing Emil an zu weinen, dass ihm sein Herz aber wirklich weh tun würde. Ich erschrak und legte meine Hand auf seine Brust um ihn zu kontrollieren. Sein Herz schlug wirklich zu schnell. Ich nahm meine Kinder und brachte sie zurück in den Kindergarten. Dort sagte ich Elena was los war. Wir setzen Emil auf ein Sofa und ich fühlte weiterhin sein Herz. Langsam stieg Panik in mir hoch. Emil war kreidebleich und Johann weinte weil er nicht verstand, was vor sich ging. Ich versuchte beide zu trösten und entschied mich, einen Krankenwagen zu rufen. Nachdem ich das getan hatte, rief ich auch Stefan auf der Arbeit an. Plötzlich sagte Emil, dass er brechen müsse. Elena rannte los um einen Eimer zu holen, doch es war schon zu spät. Geistesgegenwärtig griff ich nach Johanns Mütze, riss sie von seinem Kopf und Emil erbrach sich in die Krümelmonstermütze. Johann weinte bitterlich, zum einen weil er Angst vor der unbekannten Situation hatte, zum anderen weil ich seine Mütze zweckentfremdet hatte. Als alles raus war, kam Elena mit dem Eimer. Ich warf die Mütze in den Eimer, wischte Emils Mund ab und fühlte nach seinem Herzen. Der Herzschlag hatte sich wieder normalisiert! Als der Krankenwagen eintraf, war Emil schon wieder recht fit und fand das alles super spannend. Mein Sohn wurde an ein Pulsoximether angeschlossen und glänzte mit einer vorbildlichen Herzfrequenz. Zu diesem Zeitpunkt traf auch Stefan ein. Wir entschieden uns dafür, dass der Krankenwagen Emil vorsichtshalber zur Kontrolle in die Kinderklinik bringen sollte. Ich begleitete unseren großen Sohn während Stefan mit dem Kleinen hinterherfuhr. Emil ging es mittlerweile wieder so gut, dass er mit den Rettungssänitätern Witze machte. Nur mir war so ganz und gar nicht zum Scherzen zumute, zu tief saßen noch immer Angst und Schock. In der Klinik wurde Emil kurz an ein EKG gelegt, da das aber keinerlei Auffälligkeiten zeigte, durften wir kurz darauf das Krankenhaus wieder verlassen. Auf dem Heimweg war ich einfach nur noch völlig fertig. Eine solche Situation stellt jedesmal eine sehr große Belastung dar und ich brauche ein wenig Zeit, um das zu verdauen. Emil scheint solche Situationen zum Glück immer sehr gut zu verarbeiten aber Johann war an diesem Tag zum ersten Mal richtig damit konfrontiert worden, dass sein Bruder krank ist. Ich machte mir Sorgen, die aber völlig unbegründet waren, denn Johann weinte nur, weil er nicht mit dem Krankenwagen hatte fahren dürfen.