Etwas stimmt nicht!

09. September 2008

Da Emil eine Kaiserschnittentbindung war, sollte ich fünf Tage mit ihm in der Klinik bleiben. Am zweiten Tag stand die U2 auf dem Programm. Während der Untersuchung hörte der Kinderarzt ein Herzgeräusch, beruhigte mich aber mit den Worten, dass das erstmal gar nichts zu bedeuten hatte. Es sollte allerdings am Entlassungstag ein Kinderkardiologe drüber schauen. 

Ich machte mir erstmal keine zu großen Sorgen, Glücksgefühle über meinen neugeborenen Sohn gemischt mit Babyblues und Übermüdung taten ihr übriges. Emil weinte viel. Und ich war mittlerweile so müde, dass ich ihn nachts im Kinderzimmer abgab um wenigstens ein paar Stunden am Stück zu schlafen. Wenn er hungrig war, rief mich die Nachtschwester zum stillen und ich schlürfte langsam über den langen Flur zum Stillzimmer, um meinen Sohn zu füttern. Wenn ich damals schon gewusst hätte was noch auf uns zukommen sollte, dann hätte ich diese Situation wohl mehr gewürdigt.

Am Tag der Entlassung warteten mein Mann Stefan und ich den ganzen Tag auf den Kardiologen, der noch in der hiesigen Kinderklinik zu tun hatte. Gegen Mittag wurde mein Bett weggebracht, so dass ich nicht mal mehr die Möglichkeit hatte, mich mit Emil hinzukuscheln. Ich habe diesen letzten Tag auf der Entbindungsstation nur noch sehr wage in Erinnerung, aber ich weiß noch, dass er mich sehr anstrengte. Als der Kardiologe gegen sieben Uhr abends endlich kam, wollten wir uns soeben auf den Heimweg machen und einen Untersuchungstermin für die nächsten Tage in der Kinderklinik machen. Hätten wir dies getan, wäre unser Sohn vermutlich nicht mehr am Leben!

Wir würden in den Raum gebracht, in dem die Frühgeborenen Babys lagen. Dies war mein erstes Mal auf einer Intensivstation und ich weiß noch wie sehr mich diese winzigen Würmchen in ihren Inkubatoren, die vielen Monitore und Gerätschaften erschreckten. Ständig schlug einer dieser Monitore Alarm! Ich versuchte, mich auf mein Baby zu konzentrieren. Der Kardiologe begann mit dem Ultraschall. Er war sehr gründlich und sah sich das Herz unseres Kindes sicherlich eine halbe Stunde genau an. Emil wurde unterdessen unruhig und begann zu weinen, Stefan steckte ihm seinen Finger in den Mund, an dem er gierig zu saugen begann. Mein armer Schatz hatte Hunger. Ich wünschte mir nur noch, dass diese Untersuchung endlich beendet sein würde und wir drei als Familie nach Hause fahren konnten. Doch es sollte alles anders kommen. 

Nachdem der Arzt unser Kind geschallt hatte, sah er uns an und sagte, dass wir Emil nicht mit nach Hause nehmen können. Unser Sohn habe einen Herzfehler und er wolle ihn in der Kinderklinik erstmal genauer untersuchen. Ich begann zu weinen und konnte nicht glauben, was ich soeben gehört hatte. Da Emil immer noch vor Hunger weinte, durfte ich ihn noch einmal stillen, bevor er in einen Transportinkubator gelegt wurde und sich der Krankenwagen auf den Weg in unsere Kinderklinik machte. Leider war darin für uns kein Platz, so dass wir mit unserem Auto hinterher fahren sollten. Ich weiß noch, wie ich weinend meine Sachen zusammen packte um wir uns auf den Weg in die Klinik machten. 

Dort angekommen, ließ man uns wir ewig vor der Intensivstation warten, während unser  Kind untersucht wurde und ihm ein Zugang gelegt wurde. Hin und wieder konnten wir ihn schreien hören. Mittlerweile war es spät geworden, doch ich verlor jegliches Zeitgefühl. Es muss gegen elf gewesen sein, als der Kardiologe endlich zu uns kam. Er erklärte uns, dass die Ärzte hier in der Kinderklinik Siegen nichts für Emil tun könnten, dass er aber schon mit dem Kinderherzzentrum Gießen telefoniert hätte und das unser Sohn jetzt dorthin gebracht würde. Wieder kam unser neugeborenes Baby in den Transportinkubator, wieder musste ich weinend Abschied nehmen, wieder folgten wir dem Krankenwagen.

Im Kinderherzzentrum wurden wir auf der Intensivstation in einen Warteraum geführt. Ich fragte, ob ich Milch abpumpen könne, Emil hatte seit Stunden nichts gegessen. Währenddessen warteten wir, stundenlang. Ich war so müde, hatte riesengroße Angst und keine Ahnung, wie es meinem Kind ging.

IMG_0064Gegen halb eins/eins kam endlich ein Kinderkardiologe der Intensivstation zu uns um uns aufzuklären. Er meinte, Emil hätte Verengungen im Aortenbogen, man wolle versuchen das morgen im Herzkatheter zu beheben. Wenn das nicht klappen würde, müsse man operieren. Mein Mann und ich hörten fassungslos zu. Wir durften Emil noch einmal sehen, bevor wir unser neugeborenes Kind alleine auf der Intensivstation zurücklassen mussten um über Nacht nach Siegen zurückzukehren. Er lag in einem Wärmebettchen, war bereits verkabelt und sah so zerbrechlich aus. Ich kam mir vor wie in einem Albtraum, ich wollte mein Baby einfach nur noch packen und es in Sicherheit bringen. Doch ich lies ihn da, alleine, in einer fremden Stadt in einem Kinderherzzentrum. Es war ein so grauenhaftes Gefühl. 

Ein Gedanke zu „Etwas stimmt nicht!

  1. Hallo Kerstin,

    habe gerade angefangen in deinem Blog zu stöbern und schon bei dem Artikel kommen mir die Tränen. Ich kann das so gut nachfühlen und mir ist, als wäre es erst gestern gewesen – und doch ists schon ein Jahr fast her…

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